Bilder des Krieges: Eine kritische Analyse der Metaphorik in der Propagandasprache während des Kriegs in der Ukraine

Die Analyse der Metaphorik und Propagandasprache im Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine verdeutlicht die zentrale Rolle von Kommunikation und Framing in modernen Konflikten. Propaganda 2.0 und 3.0 nutzen Kreativität und moderne Technologien, um Informationen zu formen und die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen. Der Framing-Effekt, welcher die Präsentationsweise von Informationen in den Mittelpunkt stellt, spielt eine entscheidende Rolle bei der Beeinflussung der Meinungen und Überzeugungen der Menschen.

In demokratischen Staaten erfordert ein Krieg immer eine besondere Rechtfertigung. Die zentrale Frage lautet daher, wie dieser Krieg gerechtfertigt wird und welche Rolle mediale Diskurse bei der Legitimierung des Krieges spielen. Moderne Propaganda, oft als „Propaganda 2.0“ oder sogar „Propaganda 3.0“ bezeichnet, ist durch hohe Kreativität und subtile Methoden charakterisiert. Sie nutzt Ästhetik und moderne Technologien wie soziale Medien, um Informationen, Ideologien und Ansichten zu verbreiten und die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen. Dies geschieht oft mit politischen oder ideologischen Absichten und manifestiert sich in einer subtilen Manipulation in einer stark vernetzten Welt.

Bereits seit Anfang des Krieges bestanden die Ziele der russischen Propaganda nach Einschätzungen internationaler Medien darin, einen Vorwand für eine Invasion zu schaffen, diese zu rechtfertigen und Stärke zu demonstrieren. Zwei Tage vor Kriegsbeginn hielt Wladimir Putin seine berühmte Rede, in der er den ukrainischen Staat als ein künstliches Gebilde aus der kommunistischen Ära bezeichnete. Danach begann die militärische Kampagne. Der Kreml erwartete, dass es keinen Widerstand geben würde. Die Propaganda richtete sich hauptsächlich an das russische Publikum und die Weltöffentlichkeit, um Ziele Russlands zu erklären.
Was haben die Russen nicht berücksichtigt? In gewisser Weise lässt sich behaupten, dass wir es hier mit dem ersten „Online-Krieg“ zu tun haben, in dem Millionen von Nutzer:innen auf Plattformen wie TikTok Tausende von Videos in Echtzeit veröffentlichen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer zeigen der ganzen Welt diesen Krieg – also nicht Einzelne, die von dort berichten, sondern viele verschiedene Menschen, die diesen Krieg selbst erleben. Es ist menschlich. Es ist emotional. Dies wirft jedoch die Frage auf, inwieweit die Propaganda tatsächlich in der Lage ist, Menschen mit überprüfbaren Fakten zu überzeugen.
Als Beispiel kann man die Ereignisse in Bucha und Irpin nennen. Die Propaganda musste das Narrativ ändern, eine alternative Realität schaffen und diese Berichte als Fake News deklarieren. Im März 2022 wurde in Russland ein Gesetz zur strafrechtlichen Verfolgung von Fake News in Zusammenhang mit den Handlungen russischer Militärangehöriger bei Spezialoperationen verabschiedet. Seither wird jede Information, die nicht mit der Position der russischen offiziellen Quellen übereinstimmt, als Fake News betrachtet.

Die Methoden der Propaganda werden offener und brutaler, wie etwa das Veröffentlichen eines Videos in Telegram-Kanälen, in dem der Kopf eines ukrainischen Soldaten abgeschnitten wurde. Das offizielle Fernsehen kann solche Bilder nicht zeigen. Dies geschieht, um Einschüchterung zu erzeugen und die grausame Behandlung von Ukrainern gegenüber russischen Kriegsgefangenen zu provozieren. Es dient auch dazu, Einfluss auf russische Soldaten auszuüben, damit sie sich nicht in Gefangenschaft ergeben. Die aktuellen Desinformationskampagnen zielen darauf ab, die Ukrainer zu beeinflussen und betreffen militärische Angelegenheiten. Die russische Propaganda nutzt die Stimmungen in der Ukraine, um Misstrauen gegenüber der Regierung zu schüren. Das zugrundeliegende Narrativ ist simpel: Es werden erhebliche Verluste verschleiert, was das Vertrauen in die politische Führung des Landes erschüttert und gleichzeitig den Eindruck von Ausweglosigkeit im Krieg verstärkt. Auf TikTok fanden zudem demonstrative Aktionen statt, wie jüngste Aufrufe zu Protesten in Kiew zeigen.

Die Wirksamkeit von Propaganda beruht hauptsächlich auf den kognitiven Verzerrungen unseres Denkens, die mit unserem Bedürfnis nach Einfachheit zusammenhängen. Der Framing-Effekt, erforscht von Kahneman und Tversky, spielt dabei eine wichtige Rolle. Er zeigt, dass die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden, die Wahrnehmung beeinflusst. Informationen, die in verschiedenen Zusammenhängen präsentiert werden, werden unterschiedlich wahrgenommen. In der kognitiven Linguistik werden diese Mechanismen oft als Framing-Mechanismen beschrieben, die auf Assoziationen und Wahrnehmungen basieren. Ein wichtiger Bestandteil der Legitimierung oder Delegitimierung von Kriegen sind Metaphern: Sie können Argumente ersetzen, Bewertungen vermitteln und Handlungsoptionen vorbereiten.

In diesem Zusammenhang ist die Wahl der Terminologie von entscheidender Bedeutung. Russland wird als Beschützer des ukrainischen Volkes porträtiert. Ein zentraler Mechanismus der Propaganda besteht in der Entpersonalisierung und Dämonisierung des Feindes. Dies dient dem Zweck, das Töten von Menschen moralisch zu rechtfertigen und zu fördern. Historische Muster aus der Zeit des Kalten Krieges werden erneut belebt, da die gegenwärtigen Konflikte auf dieser ideologischen Grundlage fußen. Die russische Aggression gegen die Ukraine wurde sofort in die Frames des Zweiten Weltkriegs, genauer gesagt des Großen Vaterländischen Kriegs, eingefügt. Schon seit 2014 haben Fernsehen und soziale Medien Bezeichnungen wie „Faschisten“, „Ukrofaschisten“, „Bandera-Anhänger“ und „Nazis“ verbreitet, um das Feindbild zu festigen:
Am zweiten Tag des Krieges, am 25. Februar 2022, erklärte Wladimir Putin während einer Sitzung mit Mitgliedern des Sicherheitsrates Russlands, dass eine Gruppe von Drogenabhängigen und Neonazis in Kiew das ukrainische Volk als Geiseln genommen habe:
„Ich wende mich erneut an die Soldaten der ukrainischen Streitkräfte. Erlauben Sie nicht den Neonazis und Bandera-Anhängern, Ihre Kinder, Frauen und Ältesten als lebende Schutzschilde zu missbrauchen. Ergreifen Sie die Kontrolle. Es scheint, dass es einfacher sein wird, mit Ihnen zu verhandeln als mit dieser Bande von Drogenabhängigen und Neonazis, die Kiew eingenommen hat und das gesamte ukrainische Volk als Geiseln genommen hat.“
Diese Frames funktionieren hervorragend bei der heimischen Zielgruppe, da sie die Identität Russlands unterstützen.
Ein weiteres prominentes propagandistisches Verfahren ist der Transfer, die Fähigkeit, das Gelernte aus einem Kontext auf neue Kontexte zu übertragen, der darauf abzielt, die Ukraine zu diskreditieren. Mithilfe emotional aufgeladener Idiome, insbesondere Metaphern, werden positive Assoziationen hervorgerufen. Hierbei wird Unrecht durch positiv konnotierte Begriffe beschrieben, beispielsweise „Wiedervereinigung der Krim“ statt Annexion oder „Selbstverteidigung“ anstelle von Besetzung. Slogans wie „Wir kämpfen für die Freiheit der russischsprachigen Bürger“ und „Wir sind das Volk“ dienen der Legitimierung rechtswidriger Handlungen. Das Konzept der „russischen Welt“ mag inhaltlich unscharf sein, spricht jedoch ein breites Publikum an und bietet Symbolik zur Identitätsbildung für alle, die in irgendeiner Verbindung zur russischen Kultur stehen. Die Bezeichnung „Neurussland“ verdeutlicht die Expansionspolitik des Landes.

In einer Zeit, in der Frames und Metaphern als Waffen im Informationskrieg eingesetzt werden, liegt die Verantwortung bei den Medien und der Gesellschaft, kritisch zu hinterfragen, wie Informationen präsentiert werden, und die eigene Sprache bewusst zu wählen. Die Untersuchung der Metaphorik und Propagandasprache im Ukraine-Krieg verdeutlicht die Notwendigkeit einer aufgeklärten und informierten Öffentlichkeit, welche die Mechanismen der Manipulation erkennt und ihnen widersteht. Dies ist entscheidend für die Erhaltung der demokratischen Meinungsbildung und die Bewahrung der Freiheit in einer vernetzten Welt.

 

ÜBER DIE AUTORIN

Oksana Pavlychko ist promovierte Germanistin und außerordentliche Professorin an der Taras Shevchenko Kyiv National University in der Ukraine. Ihre Expertise liegt in der Interkulturellen Kommunikation, insbesondere in Rhetorik und Argumentation. Ihre Forschungsschwerpunkte sind moderne Propagandasprache und Informationskriege.